Ja, Anna hat einen normalen Job, sie wohnt alleine, ist selbständig, fährt ein Auto, hat keine geistige Beeinträchtigung und normalwüchsige Freunde. Alles absurde Vorurteile, denen die 137 cm große Mattighofnerin tagtäglich begegnet. Doch die Frohnatur nimmt es mit Humor, „anders ginge es nicht. Man wird so oft auf der Straße angestarrt, es wird hinter meinem Rücken gekichert, Kinder laufen mir im Geschäft nach oder haben viele Fragen. Wir Kleinwüchsigen haben eine gesunde Portion Humor und veräppeln dann oft die ´Normalos´.“
Humor als Rezept
Mit drei Jahren wird bei Anna Pseudoachondroplasie, kurz Psach, diagnostiziert. Ihre Mama fällt nach der Diagnose erstmal aus allen Wolken, ihr wird von ärztlicher Seite ein Horrorszenario skizziert, wonach Anna immer schwer beeinträchtigt bleibt und nie selbständig wird leben können. Doch die Familie behandelt Anna und ihren „sehr großen“ Bruder beide gleich, Anna kämpft sich durch Kindheit und Pubertät und wird eine selbständige, selbstbewusste und lebensfrohe Frau. Mit 18 Jahren zieht sie nach Linz, absolviert das Kolleg für Grafik und Design und steigt ins Berufsleben ein – wenn auch mit Hindernissen: „Anfangs hab´ ich den Kleinwuchs bei den Bewerbungen nicht dazu geschrieben. Es schreibt ja auch keiner dazu, dass er besonders dick ist. Doch bei den Gesprächen konnten die Chefs dann mit dieser neuen Information oft nicht besonders gut umgehen und ich hab´ am Ende den Job nicht bekommen. Mir wurde nicht zugetraut, dass ich die-selbe Arbeit gleich gut machen kann wie eine normalwüchsige Arbeitskraft.“
Keine Langeweile
Anna ist eine von zwei Menschen in Österreich, bei der Psach diagnostiziert wurde. Insgesamt leben rund 10.000 Kleinwüchsige in unserem Land. Im Kleinwuchsverein treffen sich jährlich ein paar hundert Mitglieder, in Deutschland ist man da wesentlich besser aufgestellt: Hier wird ein ganzes Dorf für Treffen gemietet und es gibt mehrere Spezialkliniken. Anna erzählt, bei ihr war es eine Spontanmutation und wurde nicht vererbt, sie ist relativ groß und "gut aufgestellt für ihre Form". Fünf Operationen musste sie dennoch bereits über sich ergehen lassen, alle zwei Jahre geht sie zur Kontrolle in die Kinderklinik am Chiemsee und essenstechnisch muss sie aufpassen, da ansonsten auch schnell Hüft- oder Knieprobleme drohen. Bei Kindern stehen die Chancen 50:50, dass sie den Kleinwuchs erben, doch an Kinder denkt die Oberösterreicherin aktuell noch nicht. Anna ist glücklicher Single („Bislang waren meine Ex-Freunde aber alle normal groß!“) und ein aktives Energiebündel: Sie geht ins Fitnesscenter („auch wenn sich manche Geräte wie Armpressen bei mir nicht ausgehen“), bouldern, squashen, Rad fahren, war in der Jugend Voltigieren („Ja, auf großen Pferden, nicht auf Ponys!“), in Jazztanz oder im Turnverein. Langeweile gibt’s bei ihr nicht, gelacht wird über alles, selbst, wenn uns normal großen Kollegen Wortspiele oder Witze manchmal fast „zu viel“ erscheinen.
Kleine Hilfsmittel
Im Job ist die gelernte Grafikerin eine Eins und hat alles bestens im Griff. Mit Stockerl unter den Füßen beim Schreibtisch, einem beim Kühlschrank in der Küche für Gläser oder Gewürze, die weiter oben stehen, oder bei Stehtischen mit Barhockern sind die gröbsten Pro-bleme beseitigt. Alles andere bewältigt die Oberösterreicherin mit Routine. Ihr Auto ist mit Pedal- und Schalthebelverlängerungen umgebaut, am Kofferraum ist ein Seil montiert, sie selbst sitzt auf einem Polster. Privat geht die 26-Jährige gerne feiern: In Mattighofen kannte man sie, sie war die einzige Kleinwüchsige. In der Stadt muss sie auf der Tanzfläche schon aufpassen, dass nicht ein Ellbogen im Gesicht landet und sie „von so manch angeheitertem Fremden bei Bällen einfach weggetragen wird.“ Lernt man Anna aber erstmal kennen, ist es nicht schwer, „normal“ mit ihr umzugehen: Wir hatten selten so eine offene, angenehme und humorvolle Kollegin wie sie.
Absurde Vorurteile
Nein, Kleinwüchsigkeit ist nicht ansteckend. Man muss nicht mit ihr weinen, weil sie so arm ist. Und nein, man muss sie nicht anstarren oder sie fragen, ob sie überhaupt schon fortgehen darf. Anna ist eine ganz normale junge Frau und genau als solche möchte sie wahrgenommen werden: „Ich möchte nicht bevorzugt oder benachteiligt werden, hätte gerne dieselben Chancen – beruflich wie privat – wie jeder andere. Ich bin nicht weniger wert. Ich bin einfach nur kleiner. Mehr nicht.“
(Autor: Sabine Blattner, )